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Entgeltfortzahlung bei Alkoholerkrankungen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.3.2015 – 10 AZR 99/14 Erkrankt ein Arbeitnehmer hat er nach §3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für die Dauer von 6 Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen seinen Arbeitgeber.

Der Arbeitnehmer erhält hierbei grundsätzlich seinen vollen Lohn.

Nach §3 Abs.1 EFZG ist der Anspruch auf Entgelfortzahlung jedoch ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer die Erkrankung verschuldet hat.

Unter diesem „Verschulden“ versteht das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung „einen gröblichen Verstoß gegen die jedem Menschen im eigenen Interesse obliegenden Verhaltensweisen“, das heißt der Arbeitnehmer verhält sich gegenüber sich selbst äußerst unvernünftig.

Wie ist es nun bei einem alkoholkranken Arbeitnehmer, welcher in Folge der Alkoholkrankheit im Betrieb ausfällt?

Lässt sich diesem Arbeitnehmer vielleicht der Vorwurf machen, dass er die Alkoholsucht verschuldet hat und entfällt infolgedessen der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers aufgrund des Verschuldens?

Zunächst muss klargestellt werden, dass das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung die Alkoholsucht als Krankheit einordnet; es handelt sich um einen Zustand, welcher in jedem Fall einer ärztlichen Heilbehandlung bedarf.

Weiterhin ist in der Rechtsprechung geklärt, dass grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Arbeitnehmer schuldhaft in die Alkoholabhängigkeit geraten ist.

Bis in die frühen 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ging die Rechtsprechung davon aus, dass ein Arbeitnehmer, welcher zum Alkoholiker wurde, dies auch in aller Regel selbst verschuldet habe.

1983 stellte dann das Bundesarbeitsgericht aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse fest, dass grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass Alkoholismus verschuldet ist. Der Alkoholismus beruht regelmäßig auf vielen Faktoren (Multikausalität), wie genetischer Veranlagung, psychischer Verfassung der Person und dem Suchtpotential des Alkohols an sich.

Die verschuldete Alkoholabhängigkeit ist daher die Ausnahme.

Das Bundesarbeitsgericht geht daher seit 1983 regelmäßig davon aus, dass der krankheitsbedingte Ausfall eines Arbeitnehmers in Folge einer Alkoholerkrankung nicht verschuldet ist und daher der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist.

Anders wurde die Situation dann eingeordnet, wenn ein Arbeitnehmer, dessen Alkoholsucht therapiert wurde wieder rückfällig wurde und in Folge des Rückfalls ausfiel.

Hier ging das Bundesarbeitsgericht in gefestigter Rechtsprechung lange Zeit davon aus, dass bei einem Rückfall – anders als bei der Ersterkrankung – grundsätzlich ein Verschulden des Arbeitnehmers anzunehmen sei; dies folge daraus, dass der Arbeitnehmer bei einer Therapie regelmäßig dazu ermahnt werde, dass er von nun an keinen Alkohol konsumieren dürfe und „trocken“ zu bleiben habe.

Diese Rechtsprechung ist mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.3.2015 endgültig erledigt.

Das Bundesarbeitsgericht stellt eindeutig klar, dass auch bei einem Rückfall des Alkoholikers, ebenso wie bei der Ersterkrankung, nicht ohne weiteres von einem Verschulden des Arbeitnehmers ausgegangen werden kann.

In der Regel sind die Ursachen, welche zur Entstehung der Alkoholabhängigkeit führen mit denen des Rückfalls identisch (Veranlagung, Psyche,…); außerdem bestehe generell eine sehr hohe Rückfallquote bei Alkoholerkrankungen.

Das Bundesarbeitsgericht stellt zugleich auch klar, dass es grundsätzlich Aufgabe des Arbeitgebers ist Gründe darzulegen, welche für ein Verschulden des Rückfalls des Arbeitnehmers in die Alkoholsucht sprechen. Der Arbeitnehmer muss sich jedoch unter Umständen durch einen Sachverständigen untersuchen lassen.

Lässt sich die Ursache des Rückfalls nicht aufklären, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich in Fällen des Alkoholismus nicht von einem Verschulden des Arbeitgebers ausgeht. Will der Arbeitgeber Gegenteiliges beweisen und gelingt ihm dies nicht, ist er zur Entgeltfortzahlung verpflichtet.

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