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Ausgleichszahlung für Flugverspätung bei technischem Mangel?

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.9.2015 – C-257/14

Nach der sogenannten europäischen Fluggastverordnung vom 11. Februar 2004 haben Fluggäste unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Schadenersatz gegenüber der befördernden Fluggesellschaft.

Diese Ansprüche sind unabhängig von Ansprüchen gegenüber dem Reiseveranstalter und können neben diesen Ansprüchen geltend gemacht werden.

Der Europäische Gerichtshof hat in der Vergangenheit die Rechte von Fluggästen erheblich über den Wortlaut der Fluggastverordnung ausgedehnt.

Insbesondere werden auch bei verspäteter Ankunft des Fluges Ausgleichszahlungen zugesprochen.

In der Praxis versuchen die Fluggesellschaften jedoch mit allen Mitteln Ausgleichszahlungen außergerichtlich zu unterbinden.

Man stelle sich vor, ein Flug mit 150 Personen wird annulliert und die Fluggesellschaft zahlt jedem Fluggast 150,00 € als Schadenersatz.

Unter diesen Umständen ist es mehr als nachvollziehbar, dass die Fluggesellschaften um jeden Preis versuchen Ausgleichszahlungen zu vermeiden.

Regelmäßig berufen sich die Fluggesellschaften daher auf den Ausschlussgrund des „außergewöhnlichen Umstandes“.

Liegen nämlich so genannte „außergewöhnliche Umstände vor“, sind die Fluggesellschaften von der Leistung von Ausgleichszahlungen befreit.

Der Europäische Gerichtshof hatte in dem vorgenannten Urteil zu klären, ob technische Mängel des Flugzeuges solche „außergewöhnliche Umstände“ darstellen.

Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin einen Flug von Quito (Ecuador) nach Amsterdam bei der niederländischen Fluglinie KLM. Der Flug verspätete sich um 29 Stunden, da laut Auskunft von KLM das Flugzeug eine Kombination von Mängel aufwies, welche bei der Wartung entdeckt wurden.

Die Kraftstoffpumpen und die hydromechanische Einheit waren defekt. Da keine Ersatzteile vor Ort in Quito verfügbar waren, mussten die Ersatzteile erst per Flugzeug aus Amsterdam angeliefert werden und dann in das Flugzeug verbaut werden.

Die Fluggesellschaft KLM berief sich gegenüber den Ansprüchen der Klägerin erwartungsgemäß auf die „außergewöhnlichen Umstände“ und lehnte jede Ausgleichszahlung ab.

Der Europäische Gerichtshof entschied im vorgenannten Urteil, dass der Betrieb von Flugzeugen stets technische Probleme mit sich bringe und daher nur im Ausnahmefall als außergewöhnlicher Umstand anzusehen sei.

Technische Probleme die bei der Wartung von Flugzeugen auftreten oder Folge einer unterbliebenen Wartung sind, sind nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes jedoch regelmäßig keine außergewöhnlichen Umstände.

Der Betrieb eines Flugzeuges bringe es regelmäßig mit sich, dass Teile des Flugzeuges verschleißen und daher ersetzt werden müssen.

Von außergewöhnlichen Umständen, d.h. in der Regel nicht vorhersehbaren Umständen, kann daher bei gewöhnlichem Verschließ von Flugzeugteilen keine Rede sein.

Damit ist für die Praxis geklärt, dass normale Ausfälle aufgrund Verschleißes von Bauteilen regelmäßig kein außergewöhnlicher Umstand sind. Die Haftung der Fluggesellschaft bei Verspätungen wird daher nicht beseitigt.

Der Europäische Gerichtshof verweigert den Fluggesellschaften daher zu Recht die Berufung auf den Ausnahmetatbestand der „außergewöhnlichen Umstände“ und stärkt die Rechte von Flugreisenden erneut in erfreulicher Weise.


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