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Abwehr von Sickerwasser des Nachbargrundstücks

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.6.2015 - V ZR 168/14

Mit einer höchst interessanten nachbarrechtlichen Frage, welche bisher nicht höchstrichterlich geklärt war, hatte sich der Bundesgerichtshof in dem vorgenannten Urteil zu beschäftigen.

Wir wollen zunächst kurz erläutern, welche Ansprüche dem Eigentümer eines Grundstückes zur Beseitigung von Störungen seines Eigentums zur Seite stehen.

§1004 BGB bestimmt, dass der Eigentümer einer Sache, welche von einem sogenannten "Störer" beeinträchtigt wird die Beseitigung der Störung verlangen kann.

Darüber hinaus wird geregelt, dass für den Fall der Wiederholungsgefahr der Beeinträchtigungen auch auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen geklagt werden kann

("sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen").

Der Eigentümer hat jedoch nach §1004 Abs. 2 BGB keinen Anspruch auf Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung oder auf Unterlassung, wenn er zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist.

Ein Anspruch gegen eine andere Person kommt daher in Betracht, wenn diese Person ihr Eigentum beeinträchtigt, diese Person Störer ist und sie nicht zur Duldung verpflichtet sind.

Der Bundesgerichtshof hatte über folgenden konkreten Fall zur urteilen:

Der Beklagte hatte auf seinem Grundstück eine Werkshalle und Stellfläche errichtet und diese Flächen gepflastert.

Aufgrund der Pflasterung konnte Niederschlagswasser nicht mehr richtig versickern und blieb unterirdisch im Boden des Grundstücks gefangen.

Unter der Erde trat das Sickerwasser dann auf das Nachbargrundstück des Klägers über und führte dort zu erheblichen Schäden.

Insbesondere konnte der Kläger aufgrund des übertretendenWassers nicht mehr seine Nutzpflanzen anbauen.

Der Kläger erhob daraufhin gegen den Werkstattbetreiber Klage mit dem Ziel, dass dieser Sorge dafür tragen solle, dass künftig kein Sickerwasser mehr auf das Nachbargrundstück übergehe.

Solch ein Anspruch kann sich aus dem zuvor erläuterten §1004 BGB ergeben.

Eine Beeinträchtigung des Grundstücks (Eigentums) des Klägers war selbstverständlich gegeben.

Durch den Übergang des Sickerwassers auf das Nachbargrundstück des Klägers konnte dieser keine Pflanzen mehr anbauen und daher sein Grundstückseigentum nicht mehr als landwirtschaftliche Fläche nutzen.

Dies stellt ohne weiteres eine Beeinträchtigung des Grundstückes dar.

Der beklagte Werkstattbetreiber war auch Störer, hätte er nämlich nicht den natürlichen Boden seines Grundstücks "zugepflastert", dann würde das Niederschlagswasser weiterhin ordnungsgemäß versickern und nicht unterirdisch auf das Grundstück des Nachbarn gelangen.

Die Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes war dem Beklagten damit zurechenbar.

Das Kernproblem der hier vorliegenden Konstellation lag in der Frage, ob der Kläger eventuell nach §1004 Abs. 2 BGB zur Duldung der Grundstücksstörung verpflichtet war, d.h. die Störung durch den Beklagten nicht rechtswidrig war.

Der Bundesgerichtshof befasste sich in diesem Zusammenhang näher mit dem Landesnachbarrecht (hier Rheinland-Pfalz).

§37 Landesnachbarrechtsgesetz Rheinland-Pfalz bestimmt, dass der Eigentümer eines Grundstücks seine bauliche Anlage (wozu auch die Werkshalle gehört!) so errichten muss,

dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt.

Nicht erlaubt ist also insbesondere, dass Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück abgeleitet wird oder übertritt!

Eine Ableitung von Wasser auf das Grundstück lag hier nicht vor, es fehlte schon an einer "Leitung". Der Bundesgerichtshof wandte sich daher der umstrittenen Frage zu, ob der unterirdische Übergang von Sickerwasser auf ein Nachbargrundstück ein unzulässiger Übertritt von Niederschlagswasser gemäß §37 Landesnachbarrechtsgesetz ist.

Teilweise wird nämlich vertreten, dass ein Übertritt von Niederschlagswasser nur vorliege, wenn das Wasser oberirdisch auf das Nachbargrundstück gelange!

Dieser Ansicht hat der Bundesgerichtshof eine Absage erteilt und festgestellt, dass §37 Landesnachbarrechtsgesetz auch den unterirdischen Übertritt von Niederschlagswasser verbietet (also gerade nicht erlaubt).

Zum einen kann nach dem Bundesgerichtshof das Wort "Übertritt" schon vom reinen Wortlaut nicht nur so verstanden werden, dass damit nur überirdische Vorgänge gemeint sind.

Außerdem mache es nach dem Bundesgerichtshof keinen Unterschied, ob das Wasser mehr oder weniger zufälligerweise überirdisch oder unterirdisch übertrete und das Nachbargrundstück beeinträchtige.

Der beeinträchtigte Nachbar ist in beiden Fällen gleich schutzwürdig.

Der Bundesgerichtshof stellte daher fest, dass der Nachbar nicht zur Duldung des Übertritts des Niederschlagswassers verpflichtet war, der Übertritt war vielmehr nach §37 Landesnachbarrechtsgesetz unzulässig.

Da der Kläger daher in seinem Eigentum beeinträchtigt wurde, der Beklagte Störer war und der Kläger auch nicht in irgendeiner Form zur Duldung verpflichtet war, bestand ein Anspruch aus §1004 BGB auf Vornahme schützender Maßnahmen gegen den Beklagten.

Der Beklagte musste sich daher darum kümmern, dass künftig kein Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück sickert.

Wie der beklagte Nachbar dies technisch anstellt, ist diesem grundsätzlich selbst überlassen.

Eine bestimmte Maßnahme wird dem Beklagten regelmäßig nicht auferlegt, da es viele Möglichkeiten geben kann eine Grundstücksbeeinträchtigung abzustellen.


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