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Zur Zulässigkeit von Dashcams als Beweismittel

Landgericht Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015, Az: 4 O 358/15

Höchst umstritten ist, ob so genannte Dashcam Aufnahmen eines Autofahrers in auf Schadenersatz gerichteten Zivilprozessen als Beweismittel verwendet werden können.

Bei Dashcams handelt es sich um kleine Kameras, welche der Autofahrer hinter der Windschutzscheibe montiert und welche den fließenden Verkehr aufnehmen können.

Kommt es zu einem Unfall erhofft sich der Fahrer die Möglichkeit durch die Aufnahme genau nachweisen zu können wer an dem Unfall „schuld“ war.

In der Regel wird es dem Benutzer der Kamera daher darum gehen seine eigene Unschuld beweisen zu können.

In der gerichtlichen Praxis sind in jüngerer Zeit vermehrt Entscheidungen ergangen, in denen der Benutzer der Kamera nachweisen konnte, dass die Gegenseite den Unfall verschuldet hatte, diesen Nachweis aber ohne die Aufnahme eigentlich hätte nicht erbringen können.

Die Gerichte hatten daher der Frage nachzugehen, ob solche Aufnahmen überhaupt mit geltendem Recht vereinbar sind und falls nein, ob dies zur Kosequenz hat, dass die Aufnahme nicht als Beweismittel zugelassen werden darf.

Auch das Landgericht Frankenthal hatte über solch einen (Un)Fall zu entscheiden.

Modifiziert und vereinfacht ging es in der Sache um Folgendes:

A will Schadenersatz von B, da dieser angeblich grundlos auf seinen LKW aufgefahren sei.

B behauptet, dass dies nur daran läge, dass A plötzlich die Spur gewechselt habe, obwohl er nur noch 2 Autolängen von dem LKW entfernt gewesen sei und er daher keine Chance mehr gehabt habe abzubremsen.

A behauptet dagegen, dass er schon längere Zeit auf der linken Spur unterwegs gewesen sei und nicht „hinübergezogen“ habe.

B verfügt jedoch über eine Dashcam-Aufnahme des Unfalls.

Auf der Aufnahme ist klar zu sehen, dass A die Unwahrheit sagt und vielmehr tatsächlich „hinübergezogen“ hat.

a.) Verletzung des §22 Kunsturhebergesetz?

Das Landgericht Frankenthal hat zunächst geprüft, ob durch die Aufnahme des A dessen Recht am eigenen Bild nach §22 Kunsturhebergesetz verletzt ist.

Danach darf das Bild oder Bildnis einer Person grundsätzlich nicht ohne deren Einwilligung verbreitet oder zur Schau gestellt werden.

Das Landgericht hat schon das Vorliegen eines Bildes oder Bildnisses verneint.

Ein Bild oder Bildnis setzt voraus, dass die Person auf der Aufnahme auch erkennbar ist, daran hat es gefehlt, sodass §22 Kunsturhebergesetz nicht eingreifen konnte:

Auf der ge­sam­ten Videoaufnahme in der vor­ge­leg­ten Form ist nicht ein­mal an­satz­weise die Zeugin … der­ge­stalt zu er­ken­nen, dass ein Bild oder Bildnis ih­rer Person durch die Kammer fest­zu­stel­len wäre. Zu kei­nem Zeitpunkt ist die Zeugin auch nur an­satz­weise über­haupt oder je­den­falls der­ge­stalt ab­ge­bil­det, dass sie als Person zu er­ken­nen wäre.

b.) Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des LKW Fahrers aus Art. 2 Grundgesetz, Art. 1 Grundgesetz

Sehr ausführlich ging das Landgericht der Frage nach, ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Aufnahme gegeben ist und diese eventuell zur Unverwertbarkeit der Aufnahme führt.

Auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lehnte das Landgericht ab.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt davor, dass Informationen über einen selbst nicht einfach weitergegeben werden bzw. bekannt werden (sogenanntes Recht auf informationelle Selbstbestimmung).

Wenn von einer Person eine Aufnahme der Fahrt erstellt und in einem Gerichtsprozess wieder abgespielt wird, dann wird natürlich zwangsläufig eine Information über den Fahrer der Öffentlichkeit preisgegeben (Fahrstil, Fahrverhalten, gefahrenes Fahrzeug) und damit die informationelle Selbstbestimmung dieser Person berührt.

Wird andauernd gefilmt, werden auch noch die Persönlichkeitsrechte weiterer Fahrer berührt.

Allein dies macht aber die Aufnahme noch nicht rechtswidrig.

Der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung kann durch gleichgewichtige Aspekte in gewisser Weise wieder ausgeglichen werden.

Diesen Ausgleich sah das Landgericht als gegeben an.

Das aus Artikel 20 Abs. 3 GG folgende Rechtsstaatsprinzip verpflichtet den Richter grundsätzlich zur Wahrheitsfindung.

Kurzum: sehenden Auges aufgrund eines Beweisverwertungsverbotes ein Fehlurteil zu fällen sollte auf Ausnahmefälle beschränkt sein.

Außerdem sei auch zu berücksichtigen, dass sich eine Partei häufig beweisrechtlich in einer Notwehrlage befinde.

Nach Ansicht des Landgerichts war auch zu berücksichtigen, dass der filmende Autofahrer die Kamera nicht ständig laufen ließ, sondern erst dann die Aufnahme startete, sobald es zu Auffälligkeiten im Verkehr kam.

So lag es hier, kurz vor dem Unfall hatte B die Kamera aufgrund eines anderen Vorfalles erst angeschaltet und diese lief nur noch zufällig weiter als es zu dem Unfall mit dem LKW kam.

Es macht nach Ansicht des Landgerichts einen Unterschied, ob die Dashcam dauerhaft läuft oder nicht.

Ein dauerhaftes Aufzeichnen stellt einen erheblich gravierenderen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der sonstigen Verkehrsteilnehmer dar und sei daher eher nicht hinzunehmen. Dieser Vorwurf sei B aber hier nun einmal nicht zu machen.

Weiterhin überschrieb die Kamera des B fortlaufend die vorherigen alten Aufnahmen, sodass es auch nicht zu einer mehr oder weniger dauerhaften Speicherung der Aufzeichnungen kommen konnte.

Auch dies mildere den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte weiter ab.

Insgesamt sei daher eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht gegeben.

c.) Verletzung des §6b Bundesdatenschutzgesetz

Auch eine Verletzung des Bundesdatenschutzgesetzes lehnte des Landgericht knapp und zutreffend mit folgender Begründung ab.

Entsprechend § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist eine Beobachtung öf­fent­lich zu­gäng­li­cher Räume – wozu auch die Beobachtung des Verkehrsraums ei­ner Autobahn mit ei­ner Kamera zäh­len kann – mit­tels optisch-elektronischen Einrichtungen nur zu­läs­sig, so­weit die Beobachtung zur Wahrnehmung be­rech­tig­ter Interessen für kon­kret fest­ge­legte Zwecke er­for­der­lich ist und keine Anhaltspunkte für ein Überwiegen der schutz­wür­di­gen Interessen der Betroffenen be­stehen (Frenzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, BDSG § 6b Rn. 4ff.). Der Schutzzweck des BDSG ist aus­weis­lich § 1 Abs. 1 BDSG da­hin­ge­hend aus­ge­rich­tet, eine Beeinträchtigung ei­nes Einzelnen in sei­nem Persönlichkeitsrecht zu ver­hin­dern, wo­bei als Adressaten der Verhaltensvorschriften aus­drück­lich auch na­tür­li­che Personen gem. § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG be­nannt sind.

Der Verwendungszweck der durch die „Dash-Cam“ er­folg­ten Aufnahmen in Gestalt der Sicherung von Beweismitteln im Falle mög­li­cher Verkehrsunfälle ist hin­rei­chend kon­kret (AG München ZfS 2014, 692). Auch ist kein mil­de­res, gleich ge­eig­ne­tes Mittel er­sicht­lich, die Beweissicherung zu er­zie­len, so dass die Anfertigung der Aufnahme auch er­for­der­lich ist.

d.) Fazit

Das Landgericht hatte sich noch mit weiteren Feinheiten beschäftigt, welche hier aus Darstellungsgründen nicht weiter thematisiert werden sollen. Insoweit sei auf den Volltext des Urteiles verwiesen, welchen Sie im Blog der Gesellschaft für Unfallforschung finden (http://www.verkehrsrecht.gfu.com/2016/05/lg-frankenthal-dashcams-videos-sind-problematisch-koennen-jedoch-im-zivilprozess-verwertet-werden/ ).

Der Entscheidung des Landgerichts ist nach Ansicht des Verfassers zuzustimmen.

§22 Kunsturhebergesetz und §6b BDSG sind nicht verletzt.

Es dürfte auch gut vertretbar sein eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht dann zu verneinen, wenn die Kamera nur kurz vor dem Unfall bzw. bei unklarer Verkehrslage angestellt worden ist und nicht dauerhaft läuft.

Allerdings wird dies wohl die Ausnahme sein, es ist mehr als fernliegend, dass Autofahrer sich die Mühe machen werden die Kamera immer während der Fahrt an- und abzuschalten.

Vielmehr dürfte es die Regel sein, dass Autofahrer die Kamera schlicht laufen lassen.

Eine permanente Dauerüberwachung dürfte nach Ansicht des Verfassers jedoch einen zu gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der übrigen Verkehrsteilnehmer darstellen, welche auch ein Verwertungsverbot nach sich ziehen müsste.

So sieht es auch das Landgericht Heidelberg.

Derzeit ist die Rechtslage noch nicht geklärt.

In Rechtsprechung und Lehre wird zu der Frage der Zulässigkeit von Dashcam-Aufnahmen nahezu alles vertreten.

Bis zur einer Klärung der Rechtslage durch den Bundesgerichtshof bleibt die Thematik daher spannend.

Als Pfälzer orientiert man sich bis dahin naturgemäß an der örtlichen Rechtsprechung .

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