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Pflicht zur Tragung von Dienstbekleidung?

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2007 – 1 ABR 18/06

In diesem Beitrag soll ein älteres Urteil des Bundesarbeitsgerichtes besprochen werden, wel­ches sich mit der Pflicht zur Trauung von Dienstkleidung auseinandersetzt.

Häufig sehen sich Arbeitnehmer mit der Situation konfrontiert, dass der Arbeitgeber auf einer bestimmten, einheitlichen Berufskleidung besteht.

Von dem Arbeitnehmer wird dann gefordert, dass er bestimmte Hosen, ein bestimmtes Oberteil und häufig auch eine Kopfbedeckung tragen soll.

Es ist rasch klar, dass ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse des Ar­beitnehmers an der freien Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit und dem Interesse des Arbeitgebers an einem einheitlichen betrieblichen Erscheinungsbild besteht.

Kann nun der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einfach eine bestimmte Kleidung vorschreiben?

Und falls ja, wie weit reicht solch ein Bestimmungsrecht des Arbeitsgebers?

Zunächst muss immer überprüft werden, ob im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinba­rung Regelungen zur Arbeitskleidung enthalten sind.

Hat sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag verpflichtet, eine bestimmte Kleidung zu tragen, so muss er dieser Pflicht grundsätzlich nachkommen.

Gleiches gilt grundsätzlich für Regelungen in einer Betriebsvereinbarung.

Problematisch und Gegenstand dieses Beitrags, ist die Situation, dass im Arbeitsvertrag hin­sichtlich einer Dienstbekleidung überhaupt nichts geregelt wurde, diese nun aber vom Arbeitgeber angeordnet wird.

Gerade in kleineren Betrieben finden sich kaum vertragliche Regelungen zur Dienstbekleidung.

Auch wenn im Arbeitsvertrag keine Regelung zur Dienstbekleidung getroffen wurde, kann der Arbeitgeber nach § 106 Gewerbeordnung den Inhalt der Arbeitspflicht nach billigem Er­messen näher bestimmen.

Hieraus wird entnommen, dass der Arbeitgeber auch die Dienstbekleidung nach billigem Ermes­sen anordnen kann.

Es fragt sich dann, wann die Entscheidung des Arbeitgebers Dienstbekleidung anzuordnen diesem sogenannten „billigem Ermessen“ genügt.

Was unter „billigem Ermessen“ zu verstehen ist, lässt sich nicht pauschal beurteilen, es handelt sich um einen ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass innerhalb des Begriffes des „billigem Ermessens“ die Rechtspositionen und Interessen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers einem Ausgleich zugeführt werden müssen.

Kurzum:

Es muss gefragt werden, was für ein Interesse hat der Arbeitgeber daran, dass die Arbeitnehmer Dienstbekleidung tragen und wie stark ist das Interesse des Arbeitnehmers, diese nicht zu tragen.

Diese Positionen müssen zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.

Ein Interesse des Arbeitgebers den Arbeitnehmern die Pflicht zur Dienstbekleidung aufzuer­legen kommt insbesondere in Berufen in Betracht, in denen die Arbeitnehmer das Unter­nehmen repräsentieren, eine bestimmte Erwartung der Allgemeinheit an eine bestimmte Be­kleidung der Arbeitnehmer existiert und in Bereichen, wo die Arbeitnehmer rasch als Arbeit­nehmer des Betriebes erkannt werden müssen.

Im vorliegenden Urteil war der Arbeitgeber ein Casinobetreiber.

Das Bundesarbeitsgericht stellt hier fest, dass gerade bei einem Casino die Kundschaft Wert darauf legt, dass die Arbeitnehmer ein gewisses äußeres Erscheinungsbild an den Tag le­gen.

Es ging konkret um die Pflicht einen Anzug während der Arbeit zu tragen.

Das Bundesarbeitsgericht stellt darüber hinaus fest, dass für die Kundschaft auch eine Iden­tifizierung des Personals als Mitarbeiter des Casinos möglich sein muss.

Damit stellte das Bundesarbeitsgericht zugleich klar, das ein berechtigtes Interesse des Ar­beitgebers daran bestand, dass die Arbeitnehmer Dienstkleidung tragen.

Allgemein lässt sich nach unserer Meinung sagen, dass ein Interesse des Arbeitgebers an einer einheitlichen Dienstbekleidung in vielen Bereichen vorhanden sein wird, wo der Arbeit­nehmer mit der Öffentlichkeit in Kundenkontakt tritt und als Mitarbeiter erkannt werden muss.

Dies dürfte in der Regel auf nahezu alle Fälle von Verkäufern zutreffen.

Lässt sich sodann ein Interesse des Arbeitgebers an einer einheitlichen Dienstkleidung fest­stellen, ist auf einer zweiten Stufe zu fragen, inwieweit die berechtigten Interessen des Ar­beitnehmers hierdurch berührt werden.

Jede Anordnung einer Dienstbekleidung durch den Arbeitgeber berührt die Persönlichkeits­rechte des Arbeitnehmers.

Der Arbeitnehmer ist nämlich im Ansatzpunkt frei darin sich so zu kleiden, wie er das möchte.

Allerdings wird dieses Interesse des Arbeitnehmers häufig gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an einem einheitlichen Aussehen zurücktreten müssen.

Wenn man sich das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Casino anschaut wird es umso deutlicher:

Für den Arbeitnehmer stellt es keinen großen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dar, während der Arbeitszeit einen (schicken) Anzug zu tragen.

Für den Casinobetreiber als Arbeitgeber wäre es jedoch ein erhebliches Problem, wenn je­der Arbeitnehmer das Casino in beliebiger Kleidung besuchen würde und nicht von den Kunden zu unterscheiden wäre.

Es lässt sich daher festhalten, dass im Normalfall ein berechtigtes Interesse des Arbeitge­bers an einer Dienstbekleidung vorhanden sein wird und sich der Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers in Grenzen halten wird.

Ein Interesse des Arbeitgebers an der Verordnung einer Dienstkleidung wird jedoch fehlen, wenn der Arbeitnehmer überhaupt keinen Kundenkontakt hat.

Der Bäckergehilfe, der zum Beispiel seine gesamte Arbeitszeit nicht sichtbar in der Back­stube verbringt, muss sicherlich keine Arbeitsbekleidung tragen, welche das Arbeitslogo des Arbeitgebers trägt oder eine bestimmte Farbgestaltung aufweist.

Ebenso wird sich festhalten lassen, dass selbst bei einem Interesse des Arbeitgebers an einer bestimmten Arbeitsbekleidung diese nicht in Betracht kommen wird, wenn im Einzelfall das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers überwiegt.

Solch ein Fall wäre zum Bespiel eine Arbeitsbekleidung, welche den Arbeitnehmer der Lä­cherlichkeit Preis gibt (Bananenkostüm, Hühnchenkostüm).

Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nunmehr wirksam die Pflicht zum Tragen einer Arbeitsbekleidung aufgegeben hat, muss der Arbeitnehmer diese auch tragen.

Trägt der Arbeitnehmer die Arbeitskleidung nicht, obwohl eine wirksame Anweisung hierzu vorliegt, verletzt der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und riskiert eine Abmahnung und letztendlich die Kündigung.

Sollten Sie daher in die Situation geraten sein, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen eine Arbeitsklei­dung vorschreibt und Sie der Ansicht sind, diese nicht tragen zu müssen, so sollte Sie der Weisung des Arbeitgebers zunächst Folge leisten.

Leisten Sie der Weisung nämlich keine Folge droht Ihnen die Kündigung, falls sich heraus­stellt, dass die Weisung des Arbeitgebers wirksam war.

Stattdessen sollten Sie lieber die Initiative ergreifen und das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen.

Weigert sich der Arbeitgeber sie von der Pflicht zum Tragen der Arbeitskleidung frei zu stel­len, bleibt Ihnen der Rechtsweg.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in den überwiegenden „Normalfällen“ eine wirksame Weisung des Arbeitsgebers zur Dienstbekleidung vorliegen wird.

In den kritischen Fällen sollten Sie rechtlichen Rat einholen und nicht einfach keine Dienstbekleidung tragen.

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