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Das Wechselmodell Anordnung und unterhaltsrechtliche Konsequenzen

Besprechung der Entscheidungen des BGH vom 01.02.2017 (XII ZB 601/15) und 11.01.2017 (XII ZB 565/15)

Das Wechselmodell Anordnung und unterhaltsrechtliche Konsequenzen

I.

Bisher war die einhellige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte so, dass üblicherweise das Kind bei einem Elternteil seinen Aufenthalt hat und der andere Elternteil zu bestimmten Zeiten, regelmäßig alle vierzehn Tage am Wochenende (je nach Alter des Kindes) und auch in den Ferien sowie an den gesetzlichen Doppelfeiertagen ein Umgangsrecht ausübt.

Bezeichnet wurde diese Handhabung als „Residenz-Modell“.

Der BGH hat nunmehr erstmals entschieden, dass das so gen. Wechselmodell, was den Wechsel des Aufenthaltes des Kindes in regelmäßigen Abständen von einem Elternteil zu dem anderen Elternteil beinhaltet, gleichberechtigt neben dem so gen. Residenz-Modell Anwendung finden kann.

Folge dieser Ansicht ist, dass es kein „bevorzugtes Modell“ mehr gibt, wie dies in der Vergangenheit von den Oberlandesgerichten eigentlich durchgehend befürwortet wurde.

Dies hat zur Folge, dass ein Wechselmodell mit einer paritätischen Betreuung des Kindes auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden kann.

Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass eine hinreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern besteht.

Der entscheidende Punkt ist, dass die Regelung dem Wohl des Kindes entsprechen muss.

Ob im Einzelfall die Anordnung eines Wechselmodells dem Kindeswohl entspricht, ist dabei nach den Kriterien zu beurteilen, die üblicherweise bei der Beurteilung des Aufenthaltes bzw. des Umgangs angewendet werden.

Dies sind die bekannten Kriterien wie Erziehungseignung der Eltern, der Schwerpunkt der Bindungen des Kindes, das Prinzip der Förderung des Kindes sowie der Kindeswille.

Wichtig ist, dass das Wechselmodell nicht mit dem Ziel angestrebt werden darf, die Fähigkeit der Kommunikation zwischen den Elternteilen zu verbessern.

Die hinreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit müssen bereits vorhanden sein.

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich trotz der Befürwortung des Wechselmodells als gleichgeordnete Möglichkeit der Kindesbetreuung neben dem Residenz-Modell das Wechselmodell in der Praxis durchsetzen wird.

Aufgrund der Entscheidung ist vielmehr zu befürchten, dass oft auch eine durchaus gegebene und sinnvolle Kommunikation der Elternteile untereinander nunmehr unterbleibt, da diese Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsmöglichkeit gerade die Voraussetzung dafür wäre, dass ein Wechsel des Kindes zwischen den Elternteilen befürwortet wird.

Die Erfahrungen aus der Praxis werden zeigen, ob mit dieser Entscheidung nicht das Gegenteil dessen erreicht wird, was die Rechtsprechung eigentlich bewirken wollte: Eine sinnvolle Regelung, welche dem Wohl des Kindes entspricht.

II.

Folgen des Wechselmodells für den Unterhalt

Das Vorhandensein eines Wechselmodells hat automatisch Auswirkungen auf die Unterhaltsverpflichtung.

Dies gilt sowohl für den Ehegattenunterhalt als auch für den Kindesunterhalt.

Bei dem Ehegattenunterhalt kann sich im Ergebnis kein Elternteil mehr auf den Tatbestand des § 1570 BGB (Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes) berufen, wenn ein Wechselmodell praktiziert wird.

In diesem Falle ist eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit als Folge der Kinderbetreuung gerade nicht mehr gegeben.

Jeder Elternteil ist daher verpflichtet, seinen Bedarf durch eigene berufliche Fähigkeiten, regelmäßig durch eine vollschichtige Erwerbstätigkeit, sicherzustellen.

Erhebliche Auswirkungen hat das Wechselmodell mit einer zeitlich gleichgeordneten Betreuung des Kindes durch die Eltern für den Kindesunterhalt selbst.

Bei dem Residenz-Modell, bei dem ein Elternteil das Kind überwiegend betreute, war die Situation klar: Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres erbringt der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, den Unterhalt durch Betreuung des Kindes. Der andere Elternteil hat eine Zahlungsverpflichtung, welche sich an der Düsseldorfer Tabelle gemäß seinem Einkommen orientiert.

Eine vollkommen andere Situation stellt sich ein, wenn das Kind paritätisch, also von beiden Elternteil zeitlich mit dem gleichen Umfang, betreut wird.

Jeder Elternteil wird dadurch barunterhaltspflichtig, wobei insofern seine Leistungsfähigkeit zu ermitteln ist.

Die Berechnung des Zahlbetrages, das jeweilige Elternteil entfällt, ist einigermaßen kompliziert.

Zunächst ist das Einkommen beider Elternteile zu ermitteln.

Von dem Einkommen des jeweiligen Elternteils ist ein Vorwegabzug des angemessenen Selbstbehaltes vorzunehmen (je nach Ansicht entweder 1.300,00 € oder 1.080,00 €).

Stehen diese Beträge fest, werden die jeweiligen Haftungsanteile von Vater bzw. Mutter des Kindes ermittelt.

Stehen die Haftungsanteile dann fest, erfolgt auch die Verteilung des Kindergeldes auf beide Elternteile.

Das Kindergeld wird zunächst rechnerisch so aufgeteilt, dass der Gesamtbetrag hälftig auf den Betreuungsunterhalt und hälftig auf den Barunterhalt verrechnet wird.

Bei einem Kind entfällt daher auf die Leistung von Betreuungsunterhalt ein Betrag in Höhe von 96,00 €.

Aufgrund der gleichartigen Betreuung steht beiden Elternteilen jeweils ein Betrag in Höhe von 48,00 € für die Betreuung des Kindes zu.

Die andere Hälfte des Kindergeldes, welche auf den Barunterhalt entfällt, wird mit der Quote geteilt, wie diese bei der Berechnung der Haftungsverteilung zwischen den Eltern ermittelt wurde.

Die Berechnung ist demnach ein mehrstufiges, teilweise kompliziertes Verfahren, welches die genaue Ermittlung des Einkommens der Elternteile voraussetzt.

III.

Fazit für die Praxis

Es bleibt abzuwarten, ob tatsächlich ein Gericht im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens ein Wechselmodell anordnet.

Bisher war die durchgängige Rechtsprechung eigentlich so, dass gegen den Willen eines Elternteils die Anordnung eines Wechselmodells abgelehnt wird (vgl. OLG Dresden BeckRS 2017, 102410).

Es ist auch nachvollziehbar, dass das Kind unter der Gesamtsituation in erheblichem Umfange leidet und dadurch gerade keine Entscheidung getroffen wird, welche dem Wohl des Kindes dient, wenn das Wechselmodell von einem Elternteil – oft mit nachvollziehbaren Gründen – abgelehnt wird.

Ein Wechselmodell sollte sinnvollerweise dann durchgeführt werden, wenn beide Eltern dies wünschen.

Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn beide Elternteile berufstätig sind und die paritätische Betreuung eine Entlastung im Rahmen der Berufstätigkeit darstellt, was im Ergebnis auch gemeinsamen Kindern zu Gute kommt.

In allen anderen Fällen dürfte die Anordnung eines Wechselmodells durch die Instanzgerichte abzulehnen sein.

31. Mai 2017


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