Berücksichtigung des Tilgungsanteils von Immobilienkrediten bei unterhaltsrechtlicher Bewertung des
I. Frühere Rechtsprechung
Ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt besteht orientiert sich an einem einfachen Schema, dass bei jeder Unterhaltsberechnung zu Grunde zu legen ist:
- Welcher Bedarf/Bedürftigkeit ist bei dem Unterhaltsberechtigten vorhanden?
- Ist der Unterhaltsverpflichtete leistungsfähig?
- Existiert irgendein Ausschlusstatbestand für die Zahlung von Unterhalt?
- Ist der Unterhaltsanspruch zu befristen oder zu begrenzen?
Bei der Ermittlung des Einkommens ist als vermögenswerter Vorteil auch das mietfreie Wohnen im Eigenheim als Nutzung des Grundstückseigentums zu bewerten.
Die Rechtsprechung unterscheidet dabei bei der Bewertung des Wohnvorteils für die Zeit der Trennung und für die Zeit nach Einreichung des Scheidungsantrages.
Dabei wird der Wohnvorteil nach den individuellen Verhältnissen des Einzelfalles bewertet.
Teilweise wird pauschal für die Zeit der Trennung ein Betrag für Unterkunft und Heizung in Höhe von 380,00 € in Ansatz gebracht.
In dieser Einfachheit kann diese Berechnung allerdings grundsätzlich allerdings nicht übernommen werden.
Entscheidend ist auch für die Zeit der Trennung, wie die Wohnverhältnisse objektiv beschaffen sind und wie die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsverpflichteten rechnerisch ermittelt werden.
Für eine normale Wohnung dürften dabei die 380,00 € für Unterkunft und Heizung noch angemessen sein.
Für ein großes Haus mit 200 m² Wohnfläche bei guten Einkommensverhältnissen dürfte dies auch in der Zeit der Trennung nicht der Fall sein.
Nach Ablauf des Trennungsjahres, insbesondere jedoch nach Einreichung eines Scheidungsantrages entspricht der Wohnwert grundsätzlich der objektiven Marktmiete.
Diese entspricht der sogenannten Nettomiete, also der Miete ohne die umzulegenden Betriebskosten.
In Verbindung mit der Ermittlung der Höhe des Wohnvorteils spielt auch die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten für die Finanzierung des Wohneigentums eine erhebliche Rolle.
Nach früherer Rechtsprechung waren während des Trennungszeitraums grundsätzlich sowohl Zins- als auch Tilgungsraten bei der Ermittlung des Einkommens als Abzugsposition zu berücksichtigen, weil sie die Wohnvorteil entsprechend reduzieren.
Nach Ablauf des Trennungsjahres, insbesondere jedoch nach Einreichung des Scheidungsantrages war die frühere Meinung in der Rechtsprechung, dass von dem Wohnvorteil lediglich noch die Zinsleistungen in Abzug zu bringen sind.
Mit Zustellung des Scheidungsantrages wird gleichzeitig der gesetzliche Güterstand beendet.
Die insofern bestehenden Ansprüche werden im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung geregelt.
Daher wurde die Ansicht vertreten, dass Tilgungen nach Zustellung des Scheidungsantrages bei dem Unterhaltsverpflichteten eine Vermögensbildung darstellen, welche daher nicht in die Gesamtberechnung mit einbezogen werden dürfen.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in einem Beschluss zum Elternunterhalt Ausführungen dazu gemacht, dass diese Handhabung bei allen Unterhaltsverhältnissen, also auch bei dem Trennungsunterhalt, aufgegeben wird.
Die Aufgabe der langjährigen Rechtsprechung hat erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Bestimmung des Trennungsunterhalts als auch auf die Höhe des nachehelichen Unterhaltes nach Zustellung des Scheidungsantrages.
Die Änderung der Rechtsprechung hat daher nicht nur Auswirkungen auf die Beurteilung zukünftiger Unterhaltsansprüche.
Die Änderung der Rechtsprechung dürfte auch für die Bewertung bereits bestehender Unterhaltsverpflichtungen, bei denen der Tilgungsanteil nicht in Ansatz gebracht wurde, von Bedeutung sein.
II. Höhe des Einkommens nach der neuen Rechtsprechung
1.
Sofern der Unterhaltspflichtige Alleineigentümer des Wohneigentums ist, können nunmehr Zins- und Tilgungsleistungen auch nach einer Zustellung des Scheidungsantrages vom Wohnvorteil in Abzug gebracht werden.
Die Grenze für den Abzug ist dabei der Wohnvorteil selbst.
Dieser stellt gleichzeitig auch die Obergrenze der Abzugsfähigkeit dar.
Diese Ausführungen gelten sowohl für den Zeitraum der Trennung und den darauf resultierenden Trennungsunterhalt als auch für den nachehelichen Unterhalt.
Wenn der Tilgungsanteil des Kredits den Wohnvorteil nach der Zustellung des Scheidungsantrages übersteigt, liegt weiterhin eine Vermögensbildung vor.
In Höhe des übersteigenden Anteils besteht daher keine Möglichkeit den darüber hinausgehenden Betrag in Abzug zu bringen.
Für den Zeitraum vor Zustellung des Scheidungsantrages werden die den Wohnvorteil übersteigenden Tilgungsleistungen grundsätzlich ebenfalls anerkannt.
Dies gilt nicht, wenn der gesetzliche Güterstand ausgeschlossen ist.
In diesem Falle nimmt der Unterhaltsberechtigte nicht am Vermögenszuwachs teil.
2.
Steht das Eigenheim oder die Eigentumswohnung im Miteigentum beider Ehegatten, werden Zins- und Tilgung von Krediten bei der Bestimmung des Wohnvorteils insgesamt berücksichtigt.
An diesem Grundsatz ändert sich nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nichts.
Dabei sind Zins- und Tilgungsleistungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie den Wohnvorteil übersteigen.
Der andere Ehepartner hat von diesen Zahlungen einen Vermögensvorteil, weil sie auch seine Schulden reduzieren.
Bei Miteigentum sind Tilgungsleistungen auch nach Zustellung des Scheidungsantrages bis zur Höhe des Wohnvorteils unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.
Es handelt sich dabei nicht um eine Vermögensbildung zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten.
3.
Steht die Immobilie im Alleineigentum des Unterhaltsbedürftigen, sind nunmehr ebenfalls der Zinsanteil und der Tilgungsanteil von dem Wohnvorteil in Abzug zu bringen.
Auch insofern ist eine Änderung der früheren Rechtsprechung festzustellen, nach der früher nur der Zinsanteil, nicht jedoch der Tilgungsanteil von dem Wohnvorteil in Abzug gebracht wurde.
Eine andere Bewertung würde zu einer Ungleichbehandlung von Unterhaltsverpflichtetem und Unterhaltsberechtigtem führen.
4.
Auswirkungen der Rechtsprechung auf den Kindesunterhalt
Auch bei der Höhe des Kindesunterhaltes wurde in der Vergangenheit der Wohnvorteil einkommenserhöhend berücksichtigt.
Nach der neuen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass nunmehr Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils in Abzug zu bringen sind.
Die Grenze für eine mögliche Abzugsfähigkeit ist allerdings der mindestens zu leistende Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB.
Der Mindestunterhalt muss mit allen verfügbaren finanziellen Mitteln aufgebracht werden.
Dazu gehört auch eine eventuelle Verwertung von Vermögenswerten.
Dadurch ist gleichzeitig auch die Grenze gezogen für die Abzugsfähigkeit von Darlehensverpflichtungen.
Der Mindestunterhalt ist aufzubringen.
III. Fazit
Die Änderung der Rechtsprechung wird erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Entscheidung laufender Unterhaltsverfahren als auch zur Überprüfung von ergangenen Entscheidungen führen.
Soweit diese damit begründet wurden, dass Zins- und Tilgungsleistungen nicht bis zur Höhe des Wohnvorteils in Abzug zu bringen seien, sondern lediglich Zinsbelastungen in die Bewertung einzustellen seien, werden die Entscheidungen geändert werden müssen.
Dies ist bei einer Änderung der Rechtsprechung wegen der Abzugsfähigkeit möglich.
Die gesetzliche Regelung gemäß § 238 FamFG eröffnet die Möglichkeit bei einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Anpassung der Entscheidung, welche ergangen ist, an die nunmehr zu Grunde zu legende Rechtsprechung zu treffen.
Pirmasens, den 22.02.2019