Verweis durch Versicherung auf freie Fachwerkstatt
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.4.2015, VI ZR 267/14
Nach einem unverschuldeten oder teilweise unverschuldeten Verkehrsunfall bei dem Ihr Kraftfahrzeug einen Schaden erleidet, können Sie die Reparaturkosten als Schadensersatzanspruch gegen die gegnerische Versicherung geltend machen.
Problematisch ist jedoch häufig die Höhe der Reparaturkosten.
KFZ-Sachverständige nehmen als Berechnungsgrundlage in der Regel die Stundensätze von sogenannten markengebundenen Vertragswerkstätten.
Diese sind in der Regel jedoch (erheblich) höher als die Stundensätze einer sogenannten freien Werkstatt, welche nicht mit einem bestimmten KFZ-Hersteller verbunden ist.
Nicht selten sträuben sich die gegnerischen Versicherungen daher gegen die Berechnung der Reparaturkosten auf Basis einer Vertragswerkstatt und benennen eine oder mehrere günstigere freie Fachwerkstätten mit denen die Versicherungen möglicherweise sogar besonders günstige Reparaturkonditionen ausgehandelt haben, wenn sie eine Person zur Reparatur ihres Fahrzeuges an die freie Werkstatt verweisen - die eine Hand wäscht hier die andere.
Die Versicherungen wenden dann gegenüber dem Geschädigten ein, dass nur die Reparaturkosten in Höhe der freien Werkstatt ersatzfähig seien, da der Geschädigte im Interesse der Versicherung verpflichtet ist den Schaden bzw. die Kosten der Schadensbeseitigung möglichst gering zu halten.
Dann stellt sich die Frage: muss man sich als Geschädigter tatsächlich stets auf eine solche Verweisung an eine freie Werkstatt einlassen?
Der Bundesgerichtshof hat gewisse Grundsätze entwickelt, wann es sich der Geschädigte nicht gefallen lassen muss auf eine günstigere freie Werkstatt verwiesen zu werden.
Im etwas älteren sogenannten VW-Urteil (Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Oktober 2009, Az.: VI ZR 53/09) hat der Bundesgerichtshof zunächst klargestellt, dass es dem Geschädigten unzumutbar sein kann ein Fahrzeug in einer freien Werkstatt reparieren zu lassen, wenn dieses noch keine 3 Jahre alt ist.
Der Grund liegt darin, dass in diesen Fällen häufig die Herstellergarantie verloren geht, wenn der Käufer in einer freien Werkstatt „fremdgeht“, statt sein Fahrzeug in der an den Hersteller gebundenen Markenwerkstatt warten zu lassen. Hier kommt also dem Aspekt, dass der der Geschädigte sein Fahrzeug in der Vertragswerkstatt hat warten lassen große Bedeutung zu.
Weiterhin hat der Bundesgerichtshof in dem VW-Urteil klargestellt, dass auch bei einem Fahrzeug, welches bereits älter als 3 Jahre ist, es dem Geschädigten nicht zuzumuten ist sein Fahrzeug in einer freien Werkstatt reparieren zu lassen, wenn das Fahrzeug zuvor stets in einer Vertragswerkstatt gewartet wurde.
Der Grund liegt hier in Folgendem: Wurde das Kraftfahrzeug konstant bei einer Vertragswerkstatt gewartet, dann macht dies einen ordentlicheren Eindruck, insbesondere bei einem späteren Weiterverkauf an den Abkäufer. Außerdem kennt der Geschädigte seine Vertragswerkstatt und soll die Möglichkeit erhalten bei seiner bewährten Vertragswerkstatt die Reparatur durchführen zu lassen.
Zusammengefasst: Ist das Fahrzeug jünger als 3 Jahre kann regelmäßig auf Kosten der Vertragswerkstatt abgerechnet werden, ist das Fahrzeug älter als 3 Jahre kann auf Basis der Vertragswerkstatt abgerechnet werden, wenn das Kraftfahrzeug stets bei einer Vertragswerkstatt gewartet wurde.
Manche Gerichte gehen inzwischen davon aus, dass der Geschädigte nicht einmal stets in der Vertragswerkstatt zur Inspektion gewesen sein muss.
Der Bundesgerichtshof hatte sich am 28.04.15 noch mit einer weiteren Frage zu beschäftigen:
Der Geschädigte wurde von der gegnerischen Versicherung mal wieder auf eine freie Werkstatt verwiesen. Sein Fahrzeug war älter als 3 Jahre und wohl auch nicht konstant bei einer Vertragswerkstatt in Wartung.
Ein Verweis auf eine freie Werkstatt kommt daher also hier grundsätzlich in Betracht.
Allerdings stellte sich heraus, dass die freie Werkstatt, an welche die Versicherung den Geschädigten verwies in einer dauerhaften vertraglichen Beziehung zu der Versicherung stand.
Hierin kann laut Bundesgerichtshof jedoch ein Problem liegen. Wird eine Sache beschädigt, dann kann grundsätzlich der für die Reparatur erforderliche Geldbetrag verlangt werden (§249 Abs. 2 BGB).
Dies hört sich zunächst wie eine Selbstverständlichkeit an, dem ist jedoch nicht so.
Das Schadensrecht geht zunächst davon aus, dass eigentlich der Schädiger den Zustand vor der Schädigung wiederherstellen soll (§249 Abs. 1, sogenannte Naturalrestitution).
Da es dem Geschädigten aber kaum zuzumuten ist, dass der Unfallgegner oder die Versicherung sich um die Reparatur des eigenen Autos kümmern, bestimmt §249 Abs. 2 BGB nun, dass der Geschädigte stattdessen Geldersatz verlangen kann und mit diesem Geld seine Sache selbst reparieren lassen kann.
Der Bundesgerichtshof stellt nun die Überlegung an, dass quasi die Versicherung derjenige ist, welcher das Kraftfahrzeug repariert, wenn auf eine freie Werkstatt verwiesen wird, welche mit der Versicherung unter einer „Decke steckt“, weil die Versicherung die Geschädigten in die freie Werkstatt schickt und diese freie Werkstatt im Gegenzug der Versicherung günstige Konditionen einräumt. Dies kann jedoch nicht sein.
Allerdings geht der Bundesgerichtshof nur dann davon aus, dass diese gefährliche Nähe zwischen Versicherung und freier Werkstatt bestehe, wenn die freie Werkstatt der Versicherung günstigere Preise einräume; es genügt noch nicht , dass die Versicherung nur in ständiger vertraglicher Beziehung zu der freien Werkstatt stehe.
Zusammengefasst:
Der Geschädigte muss sich zusätzlich dann nicht an eine freie Werkstatt verweisen lassen, wenn diese mit der Versicherung besondere Rabatte ausgehandelt hat, da dann die Gefahr besteht, dass die Versicherung durch die Hintertür zum eigentlichen „Reparateur“ des eigenen Fahrzeugs würde.
Wichtiger für die Praxis sind jedoch die zuvor genannten Grundsätze, des noch nicht 3-jährigen Fahrzeuges und der ständigen Wartung in einer Vertragswerkstatt.