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Kein Haftungsprivileg beim Blumengießen

OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2015, 9 U 26/15

In einem guten nachbarschaftlichen bzw. freundschaftlichen Verhältnis kommt es bekanntlich gerne einmal vor, dass der Eine dem Anderen in Not- und Ausnahmesituationen aushilft.

Insbesondere wenn jemand in Urlaub fährt oder unvorhergesehen einmal ins Krankenhaus muss, übernehmen Nachbarn und/oder Freunde unentgeltlich häufig die Gartenpflege, schauen im Haus nach dem Rechten, leeren den Briefkasten, füttern Haustiere usw.

Umso schöner, wenn alles gutgeht, man kommt nach Hause, der Garten ist gepflegt, das Haus nicht geplündert, der Briefkasten quillt nicht über und die Katze ist wohlauf.

Was aber, falls etwas schiefgeht, weil der Nachbar etwa bei der Gartenbewässerung den Wasserhahn nicht zugedreht und damit über ein Fenster auch gleich den gesamten Keller „bewässert“ hat?

Kann man in diesem Fall den Nachbarn für den Schaden haftbar machen bzw. kann die einspringende Haftpflichtversicherung Ansprüche gegen den Nachbarn geltend machen?

Das hängt für vertragliche Ansprüche zunächst einmal davon ab, wie man solche „Dienstleistungen“, die unter Nachbarn/Freunden üblich sind rechtlich beurteilt.

Man könnte solche Leistungen als normalen Vertrag betrachten, z.B. als Dienstvertrag i.S.d. § 611 BGB oder als Auftrag i.S.d. § 662 BGB. Ein Dienstvertrag wird allerdings regelmäßig schon deshalb ausscheiden, weil hierfür eine Vereinbarung erforderlich ist, dass jemand einem anderen Dienste gegen Entgelt leistet. Bei den oben genannten Fällen geht es jedoch gerade um Leistungen, die man der „Freundschaft halber“ übernimmt und nicht gegen Entgelt.

In Betracht kommt daher ein Auftragsverhältnis nach den §§ 662 ff. BGB, weil diese stets Unentgeltlichkeit voraussetzten. Aber es wird wohl kaum dem Willen der Beteiligten entsprechen, sich dem Pflichtenprogramm der §§ 662 ff. BGB zu unterwerfen, die dem Nachbarn/Freund unter anderem Auskunfts- und Rechenschaftspflichten auferlegen. Man möchte als guter Nachbar/Freund dem Anderen ja nur die alltäglichen Geschäfte abnehmen und sich nicht auch noch in größerem Umfang vertraglich haftbar machen. Man tut all dies ja nur aus Gefälligkeit, das erhält schließlich die Freundschaft.

Bei solch alltäglichen Gefälligkeiten scheiden nach dem hier Gesagten Schadensersatzansprüche aus Vertrag aus, weil ein solcher regelmäßig nicht angenommen werden kann.

Schadensersatzansprüche aus sogenannter Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen in einem solchen Fall ebenfalls nicht, wie aus unserem Beitrag vom 22.10.2015 entnommen werden kann.

Was allerdings bleibt, ist eine deliktische Haftung nach § 823 I BGB für die angerichteten Schäden auf dem Grundstück/Wohnung des Nachbarn.

Die Haftung aus §823 BGB kommt immer in Betracht, wenn man eine andere Person schuldhaft schädigt.

Dieser Haftung kann man nur durch einen Haftungsverzicht entgehen, der die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt.

Ein solcher Haftungsverzicht kann gesondert zwischen den Beteiligten vereinbart werden.

Dies wird aber unter Bekannten/Freunden eher selten der Fall sein.

Fehlt eine solche Vereinbarung, kommt ein Haftungsverzicht nach § 242 BGB aufgrund ergänzender Vertragsauslegung in Betracht, der die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt. Die Rechtsprechung erkennt einen solchen Haftungsverzicht aus § 242 BGB aber nur ganz ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände an. Voraussetzung ist, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen einen solchen Haftungsverzicht gefordert hätte und der Geschädigte dieser Forderung billigerweise hätte nachgeben müssen. Ist der Schädiger allerdings versichert, kann ein Haftungsverzicht regelmäßig nicht angenommen werden, weil dann nicht der Schädiger, sondern der Haftpflichtversicherer entlastet würde.

Das kann aber nicht Sinn eines zwischen den Beteiligten bestehenden Haftungsverzichts sein.

So hat dies auch das OLG Hamm in der oben zitierten Entscheidung gesehen.

Das OLG hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem die beklagten Eheleute ihren Nachbarn während deren Urlaub den Garten wässerten.

Das Wasser hierfür entnahmen sie dabei dem Gartenteich der Nachbarn, den sie nach der Bewässerung mit einem angeschlossenen Schlauch, dessen Ende unterhalb der Wasseroberfläche lag, auffüllten.

An einem Abend vergaßen sie jedoch beim Auffüllen des Teiches das Wasser wieder abzudrehen, sodass der Teich überlief und das übertretende Wasser für etwa 24 Stunden in das Kellergeschoss eindrang und an Haus und Hausrat insgesamt einen Schaden i.H.v. 7.312,81 € hervorrief. Die Haftpflichtversicherung ersetzte den Schaden und forderte sodann Schadensersatz von dem beklagten Ehepaar.

Das OLG Hamm verneinte zwar auf die Haftpflichtversicherung übergegangene vertragliche Schadensersatzansprüche, bejahte jedoch eine deliktische Haftung wegen Eigentumsverletzung aus § 823 I BGB i.V.m. § 86 VVG.

Ein Haftungsverzicht bestand nach dem OLG Hamm, das von leichter Fahrlässigkeit ausging, aus den oben ausgeführten Gründen nicht.

Fazit:

Auch wenn Sie nur aus Gefälligkeit verschiedene alltägliche Tätigkeiten für Freunde /Nachbarn verrichten, sind Sie nicht ohne Weiteres von einer Haftung befreit und sehen sich unter Umständen Regressansprüchen der einspringenden Haftpflichtversicherung ausgesetzt.


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